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Der Tyrann in der Tasche

Für immer mehr Menschen ist das Mobiltelefon ein ständiger Begleiter, und der schnelle Blick ins Netz wird zur dauernden Versuchung. Es sind die unbedachten Momente: Zwei sitzen im Café, plaudern, da plingt das Handy. Eine Nachricht. Schnell mal schauen, wer was will. Schon ist ein Gerät wichtiger als ein Mensch! Die Technik hat sich wieder einmal erfolgreich in eine Begegnung gedrängelt – der Sieg des Virtuellen über das Analoge.

 

Suchmittel Smartphone – immer verfügbar.

Das Verhältnis zwischen Mensch und Handy ist so symbiotisch geworden, dass Leute Panik befällt, wenn sie ihr Telefon nicht in der Tasche spüren. Sie empfinden es nicht als störend, wenn sie Gespräche für den Blick auf das Display unterbrechen, wenn sie auf dem Spielplatz mit der einen Hand das Kind schaukeln, mit der anderen über den Bildschirm wischen oder das Gerät in der Kneipe auf den Tisch legen, noch bevor sie die Jacke ausgezogen haben. Die Verbindung zu den sozialen Kontakten in der virtuellen Welt muss immer stehen. Abhängigkeit nennt man das in der Medizin.

 

Soziale Netzwerke statt echter Freunde

Vor allem die sozialen Netzwerke locken viele Menschen immer wieder ins Internet, um die Zahl ihrer Kontaktanfragen zu kontrollieren. Menschen sehnen sich nach Wertschätzung und Aufmerksamkeit. In den sozialen Netzwerken wird ihnen suggeriert, ihre Beliebtheit sei messbar anhand der Zahl ihrer Freunde, Likes und Follower, sagt der Psychotherapeut Bert de Wildt, der an der Uniklinik Bochum Internetsüchtige behandelt. Doch das Verlangen nach der Pseudonähe in der virtuellen Welt reduziert Kontakte in der Wirklichkeit – das kann sich zu einem Kreislauf der Sucht entwickeln.

Gerade Menschen, die sich in ihrem Körper unwohl fühlen und sich selbst für Außenseiter halten, weil sie nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, vermeiden wirkliche Kontakte. Sie fühlen sich unsicher, weil der Verlauf realer Begegnungen unsicher ist. Im Internet können sie ihren Auftritt kontrollieren, ihre Identität manipulieren und sind Herr des Geschehens.

 

Verpasste Chancen & der Verlust von Qualitätszeit

Dass sie in der virtuellen Welt den wahren Charme unmittelbarer Begegnungen verpassen, ihrem Gegenüber zum Beispiel in die Augen zu sehen, einen Menschen riechen können oder ein Gefühl für ihn bekommen, machen sich viele gar nicht mehr klar. Und bei der Bewerbung um einen Ausbildungs,- Studienplatz,- oder Arbeitsplatz kann ihr Internetauftritt schnell zum Bumerang werden. Das Mobiltelefon, als Computer für die Hosentasche, ermöglicht dem Menschen die totale Vernetzung, mit immer neuen Reizen und Informationen. Darum erscheint es vielen unersetzlich. Zugleich aber fühlen sich viele bedrängt von all den Nachrichten, gestresst von der ständigen Erreichbarkeit. Sie pflegen eine Hassliebe zu ihrem Mobiltelefon, können davon nicht lassen. Erleben aber die Verzettelung ihres Lebens und spüren wie das Gerät ihnen die Konzentrationsfähigkeit und das Gefühl von Erfüllung raubt. Benötigt wird ein neues Gefühl für die Qualität von Zeit – und insbesondere eines für die Notwendigkeit von Qualitätszeit.

 

Die reale Welt nicht aus den Augen verlieren

Lange hat man die Digitalisierung für eine technische Revolution gehalten. In Wahrheit krempelt sie das soziale Miteinander um. Am Arbeitsplatz und vor allem in der Familie. Oft ist das Handy dort Streitpunkt Nummer eins, denn längst betrifft die Handysucht schon Kinder. Sie lernen den Umgang mit den mobilen Geräten intuitiv, wischen sich durch die Programme, sind flink im Internet – und sie unterliegen denselben Versuchungen wie die Erwachsenen. Dem können die Eltern nur begegnen, indem sie die reale Welt attraktiv machen. Eltern müssen das sinnliche Erleben ihrer Kinder bewusst fördern, sollten mit ihnen in die Natur gehen oder Sport machen. Auf analoge Medienerlebnisse neugierig machen und somit die Lust auf Bücherlesen, Theater, Tanz und Musik wecken. Genauso wichtig ist es, beim Medienkonsum Grenzen zu setzen. So kann man mit dem Kind z. B. ein Computer-Zeitkontingent pro Woche vereinbaren. Das Kind kann dann selbst entscheiden, ob es jeden Tag eine Einheit einlöst oder am Wochenende lieber mal am Stück spielt. Den Umgang mit digitalen Medien einzuüben, ist inzwischen so wichtig geworden wie Schreiben oder Rechnen, aber zunächst muss ein Kind den Umgang mit der realen Welt lernen. Dabei scheint eine einfache Übung immer wichtiger zu werden: ausschalten!

 

Im Rahmen unserer vielfältigen Angebote unterstützen wir Sie gerne bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten und den dazu passenden Wegen und freuen uns auf ihre Anfrage.

 

Herzlichst

Gereon Stolle und Team